Wir sind einen halben Tag mit 25 Jugendlichen aus Vorarlberg, Tirol und Salzburg unterwegs in Seoul: Für den heutigen Vormittag steht ein Tempelbesuch auf dem Programm. Schwitzend, aber gut gelaunt besuchen wir Bongwonsa, den Haupttempel des Taego-Ordens des koreanischen Buddhismus. Koreanisch beherrschen wir immer noch nicht. Aber ein Problem ist das auch nicht.
Wir kommen unerwartet: An diesem bedächtigen Ort hatte niemand mit dem Besuch von rund 30 Österreicher*innen gerechnet. Wir treffen auf einige Koreanerinnen, die in der Küche ein Mittagessen zubereiten, vermutlich für die hier lebenden Mönche. Die Köchinnen unterbrechen sofort ihre Arbeit und sind sichtlich bemüht trotz Sprachbarriere unser Anliegen zu verstehen. Eine ältere Frau führt uns in den Hof und versucht sich mit Gestik und Mimik verständlich zu machen. Sie redet dabei Koreanisch. Was sie sagen will, können wir nur erahnen: Es gibt fünf Tempel – meinen wir zu verstehen. Wir dürfen Fotos machen und uns umsehen – vermuten wir herauszuhören. Wir nicken freundlich, wie man es eben tut, wenn man vorgibt etwas zu verstehen, was man bestenfalls erraten kann. Die liebenswerte Koreanerin macht großzügige Armbewegungen in Richtung des nächstgelegenen Tempels und wir fühlen uns zur Besichtigung eingeladen. Während wir die Stufen unter der sengenden Sonne hochstapfen, dreht sich unsere Tempelwächterin um und verschwindet in ihrer Küche.
Die Katze kommt rein
An der Tempeltür angekommen erblicken wir einen Zettel mit koreanischen Schriftzeichen. Darf dieses Gebetshaus vielleicht doch nicht betreten werden? Müssen die Schuhe und vielleicht sogar die Socken ausgezogen werden? Ein Übersetzungsprogramm wird aus dem Hut gezaubert und der Text mit dem Handy eingescannt. Darauf hätte man wohl früher schon kommen können. „Katze kommt rein, Türe schließen!“ – Das müssen wir zweimal lesen, bis uns klar wird, dass es hier offensichtlich keinen Übersetzungfehler gibt, sondern einen wirklich vorwitzigen Tempeltiger. Eine Antwort auf die Sockenfrage haben wir nicht bekommen und so betreten wir den Tempel „as we are“ – auf Socken oder eben barfuß.
Im Innern des Bongwonsa, der zum Teil 1950 während des Koreakrieges zerstört wurde, erwartet uns viel Gold: „Überall hat es geglänzt, sowas habe ich noch nie gesehen“, meint der 16-jährige Julian. Wir staunen über Buddhas in allen Farben und Größen und eine besondere Atmosphäre: Neben den allerorts zirpenden Grillen strahlt die von Parkflächen umgebene Tempellandschaft eine besondere Ruhe aus. Die ebenfalls 16-jährige Galina genießt die Stille in der sonst eher pulsierenden Millionenstadt. Ilias begeistert sich für die Holzschnitzereien. „Da waren wahnsinnig viele Muster, Striche und filigrane Schnitzereien“, erklärt der 17-Jährige begeistert.
Ohne Worte
Zwischendurch begegnen uns Tempelbesucher, die sich für ein Gebet zurückziehen. Wir verhalten uns so, wie wir es für „ghörig“ in dieser Gebetsstätte halten: Wir unterhalten uns leise, halten respektvollen Abstand von den betenden Menschen und stellen die Schuhe ordentlich vor der Tempeltüre ab. Und dann kommt doch wieder die Köchin um die Ecke. Sie hält ein Prospekt in ihrer Hand, das sie uns als Geschenk überreichen will. Und gleichzeitig lernt sie uns, wie man Geschenke in ihrer Kultur entgegennimmt: immer mit zwei Händen und nicht wie bei uns mit einer einzigen beiläufig ausgestreckten Hand. Sie spricht dabei koreanisch, was wir noch immer nicht vollumfänglich beherrschen. Aber nun sind wir uns sicherer und wiederholen das koreanische zweihändige Dankesritual. Mit Gestik und Mimik sagen wir einander passend dazu 감사합니다 (Danke!) und verstehen uns dabei ganz ohne Worte.